Samstag, 18. Oktober 2014

Rett-Syndrome-Awareness 2014 - 18. Okt. - Augensteuerung und Rett-Syndrom

In den 60er Jahren hat Prof. Andreas Rett diese Behinderung bei zwei Mädchen in seinem Wartezimmer entdeckt und in Folge dann zu beforschen begonnen. Diese Geschichte ist uns allen bekannt – daher auch der Name Rett-Syndrom.

1998 – die Lokalisierung der GenMutation, die zum Rett-Syndrom führt
2014 – Die Lebenssituation und auch die Lebensqualität der Rett-Kinder und ihrer Familien hat sich seit den 60er Jahren deutlich verbessert. Auch die medizinische Versorgung der diversen Rett-typischen Problematiken wie Skoliose, Epilepsie, … hat sich drastisch verbessert.

Doch was bleibt ist die Frage, die uns Eltern am meisten quält:
Wie viel verstehen Rett-Syndrom-PatientInnen wirklich?!


Wir Eltern wissen: Unsere Mädchen nutzen ihre Augen, um Menschen zu begrüßen, auf etwas zu deuten, zu bitten und zu verweigern.
Möglicherweise verbringen einige dieser Mädchen ihr Leben in Isolation; in einem beeinträchtigten Körper ABER mit klarem Verstand!!

Therapeuten, Pädagogen und auch wir Eltern probieren es immer wieder mit Aufforderungen wie „Zeig mit …“ – oder „Mach mal …“ … doch das große Gespenst des Rett-Syndroms – die APRAXIE – schlägt leider genau hier zu!

„Als Apraxie (gr. άπραξία „Untätigkeit“) bezeichnet man eine Störung der Ausführung willkürlicher zielgerichteter und geordneter Bewegungen bei intakter motorischer Funktion. Es liegt weder eine Lähmung noch eine Ataxie vor. Unwillkürliche Bewegungen können koordiniert ausgeführt werden. Betroffen ist die Mimik (Apraxie des Gesichts), die Sprache (Apraxie der Sprechwerkzeuge) und/oder die Gestik bzw. der Gebrauch von Werkzeugen (Extremitäten-Apraxie).“
(Quelle WIKIPEDIA.de)


ABER: Wir Eltern wissen um das Verständnis unserer Kinder!

Am Rett-Syndrom Center in Montefiore, NY, wurde Augensteuerung genutzt, um visuelle Verarbeitungsmuster von Rett-Syndrom Patienten und gesunden Menschen zu vergleichen. 
Der Titel der Studie von Fr. Dr. Aleksandra Djukic lautet:
Basic Features of Visual Processing - a Pilot Study of Eye-Tracking”

Ziele:
Ziel 1: Einen qualitativen Vergleich der Fähigkeiten von Rett-Syndrom Patienten bei der Identifizierung von Schwerpunkten innerhalb eines Bildes zu bekommen:. Im Wesentlichen geht es um die Beantwortung folgender Frage: Können Rett-Syndrom-PatientInnen zwischen wichtigen und unwichtigen Aspekten eines Bildes unterscheiden, indem sie einem relevanten Stimuli mehr Aufmerksamkeit widmen?

Ziel 2: Quantitativer Vergleich der Fähigkeiten von Rett-Syndrom-PatientInnen und nicht behinderten Menschen, indem ihr visueller Schwerpunkt identifiziert wird, um Unterschiede in den folgenden Werten zu ermitteln:

          a) Wie lange dauert es, bis die Rett-Syndrom-PatientInnen/gesunde Menschen
              auf den Schwerpunkt eines Bildes schauen?
          b) Wie lange dauert die erste Fixation auf dem Schwerpunkt?
          c) Wie lange verbringen sie damit, auf den Schwerpunkt zu schauen?
          d) Wie oft schauen sie auf den Schwerpunkt?

Folgende Methoden wurden verwendet:
31 Mädchen mit Rett-Syndrom waren als Probanden Teil der Studie. Die Kontrollgruppe bestand aus Krankenhauspersonal, Mitglieder der Forschungsgruppe und Eltern.

Insgesamt wurden den Testpersonen elf Bilder präsentiert. Diese Bilder beinhalteten Fotografien realer Situationen, Gesichter, Formen und Cartoons. Die Betrachtungszeit betrug 5 Sekunden. Um Verwechslungseffekte der Sprachverarbeitung zu minimieren, waren verbale Aufforderungen auf die Aussage „Betrachten Sie den Bildschirm“ beschränkt.

Analyse:
Zur qualitativen Analyse der Eyetracking Daten wurden Heatmap Visualisierungen generiert. Durchschnittswerte der folgenden Metriken von Rett-Syndrom-PatientInnen und gesunden Probanden wurden verglichen: Zeit bis zur ersten Fixation, Dauer der ersten Fixation, Dauer aller Fixationen und Anzahl der Fixationen. Das ergab zwanzig Vergleiche zwischen Rett-Syndrom-PatientInnen und der Kontrollgruppe.

Ergebnisse:
Rett-Syndrom-PatientInnen hatten im Vergleich zu gesunden Menschen ähnliche Fixationsmuster und bedeutende visuelle Suchstrategien.

Bei sieben der elf Bilder, waren die Bereiche der bedeutenden Fixationslängen (rote Bereiche auf der Heatmap) bei beiden Gruppen ähnlich. Nur sechs der zwanzig Metriken zeigten relevante Unterschiede zwischen Rett-Syndrom-PatientInnen und der Kontrollgruppe auf, was darauf hinweist, dass sie Schwerpunkte eines Bildes auf ähnliche Weise betrachten wie gesunde Menschen. Bei vier von fünf Bildern mit offensichtlichem Fokus, betrachtete die Mehrzahl der Rett-Patienten genau diesen Bereich.

Wieso Eyetracking?
„Ohne die Blickverfolgung gäbe es nur wenige Möglichkeiten, um die kognitiven Fähigkeiten von Rett-Syndrom PatientInnen zu untersuchen. Die meisten konventionellen kognitiven Tests enthalten physische Aufgaben, die diese PatientInnen aufgrund ihrer körperlichen Beeinträchtigungen nicht durchführen können. Visuelle Wahrnehmung und Kognition sind eng miteinander verbunden, wodurch Eyetracking das geeignete Hilfsmittel ist, um zu untersuchen, wie Rett-Syndrom PatientInnen die Welt betrachten. Auf Grundlage dessen bekommen wir Anhaltspunkte zu Ihrem Verständnis ihrer Umgebung.

„Diese Forschung wurde aufgrund der zahlreichen Beobachtungen in der Literatur durchgeführt. Dort gab es einige Berichte, die besagten, dass Rett-Kinder einen starken Blick, Augenkontakt und visuelles Tracking besitzen. Es wird einheitlich von Eltern und Betreuern gesagt, dass diese Mädchen ihre Augen nutzen, um Menschen zu begrüßen, auf etwas zu deuten, zu bitten und zu verweigern. Es ist möglich, dass einige dieser Mädchen ihr Leben in Isolation verbringen; in einem beeinträchtigten Körper mit klarem Verstand. Ihre sichtbaren Versuche zu kommunizieren verfolgen Betreuer und Krankenhausärzte.

„Die Ergebnisse dieser Studie sind vielversprechend und demonstrieren die Umsetzbarkeit der Nutzung von Augensteuerungs-Geräten, um PatientInnen mit Rett-Syndrom beurteilen zu können. Das ist notwendig, denn jede intellektuelle Fähigkeit, die sie besitzen, muss ausgeübt und gestärkt werden – wie bei jedem sich entwickelnden Kind.

Zitat von Dr. Aleksandra Djukic, Rett Syndrome Center, Children’s Hospital at Montefiore, Albert Einstein College of Medicine:
„Eyetracking ermöglicht es uns, Rett-Syndrom PatientInnen eine Stimme zu geben - einen Weg, um das, was sie wahrnehmen, zu kommunizieren. Das ist ein unschätzbarer Wert, da die meisten dieser Menschen aufgrund starker körperlicher Einschränkungen keine Möglichkeit haben ihr Wissen und ihr Verständnis zu offenbaren.“

Quellennachweis:
Basic Features of Visual Processing – A pilot Study of EyeTracking” (Augensteuerungs-Studie von Dr. Djukic „Rett-Syndrome)


"Ready or not - a document to share - "Bereit oder nicht?" – Rett-Syndrom und Logopädie von Sally-Ann Garrett, Logopädin (SLT) in Großbritannien
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Ein Beispiel aus Österreich - Isabellas Freundin Vanessa P. (15) aus dem Burgenland:

PS: Warum Isabella keine Augensteuerung verwenden kann, sondern eine Kopfsteuerung einsetzt, haben wir HIER erklärt!

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