Mit den Mini-Dickmanns ist es so wie mit den Menschen (von
Margret Netten)
Der Einkaufswagen war voll bepackt wie bei jedem Großeinkauf im Lidl. Mein 5 jähriger Sohn war guter Dinge und hatte mich ausnahmsweise in keine Diskussionen an den verführerischen Kramständen mit Kindersachen oder an dem Süßigkeitenregal verwickelt. Geduldig schob er mit mir den Einkaufswagen zur Kasse.
Dann fiel mir ein, dass wir das Toilettenpapier vergessen hatten und wir fuhren wieder ein Stück zurück. „Mama, lass mich das machen“, krähte er aufgeweckt und warf schwungvoll ein großes Familienpack Toilettenpapier auf den Wagen.
Im letzten Moment konnte ich noch die Eierpackung auffangen, die ebenso wie die Spaghetti und die Mini-Dickmanns dem Toilettenpapier-Wurfgeschoss im Wagen Platz machten und schwungvoll durch die Luft flogen.
Froh, die Eierpackung noch erwischt zu haben, sah ich wie mein Sohn mit großen Augen und offenem Mund neben mir stand und mit dem Finger an mir vorbei zeigte. „Ups, wahrscheinlich haben wir doch noch was getroffen,“ dachte ich kurz und griff nach der Schachtel mit den Mini-Dickmanns, die an einer Seite aufgeplatzt war und genau neben meinen Füßen lag.
„Die ist ja ganz schwarz und kann gar nicht richtig laufen, Mama,“ sagte mein Sohn laut und zeigte mit dem Finger auf ein dunkelhäutiges und offensichtlich gehbehindertes Kind.
Ich drehte mich um und sah gerade noch wie die Mutter ihr Kind auf die andere Seite des Ganges zog. Mit hochrotem Kopf, der peinlichen Situation voll bewusst, brachte ich nur ein Wort heraus. “Kinder!“ und zuckte verlegen mit den Schultern.
„Schon gut“, sagte die andere Mutter und schubste ihr Kind weiter.
„Wieso ist die so anders, Mama?“ fragte mich mein Sohn.
Ich saß in der Hocke und hielt immer noch die Mini-Dickmanns-Schachtel in den Händen. Da die Schachtel ohnehin etwas aufgeplatzt war, machte ich sie ganz auf.
Ich schaute in die Schachtel. Fein aufgereiht waren weiße, braune und schwarze Mini- Schaumküsse zu sehen, 4 waren vom Sturz nicht mehr ganz heil.
„Einige sind ganz angedötscht,“ kommentierte mein Sohn den Anblick.
„Ja, schau mal genau hin. Eigentlich ist es mit den Mini-Dickmanns wie mit den Menschen. Es gibt sie in verschiedenen Farben“, sagte ich gedankenversunken.
„Und manche sind angedötscht“, korrigierte mich mein Sohn.
Jetzt musste ich doch lachen: „Ja, es gibt weiße, braune, schwarze, „angedötschte“ und welche die ganz sind. Aber eines haben alle doch gemeinsam.“
„Was denn Mama?“
„Na, die Füllung. Innen sind sie alle gleich! Und egal ob sie „angedötscht“ sind oder nicht, sie erfüllen doch den gleichen Zweck: Es sind alles Schaumküsse und sie sollen lecker schmecken. – Hier probiere mal!“ Ich gab ihm einen braunen „heilen“ Mini-Dickmann und er aß ihn rasch auf. Danach gab ich ihm einen braunen „angedötschten“ Mini-Dickmann und er aß ihn ebenfalls hastig auf. „Und, schmeckt der anderes?“ fragte ich ihn.
„Er war genau so lecker wie der andere auch,“ grinste er mich an.
Dann legte er die Stirn in Falten : „Und wie ist das bei den Menschen?“ wollte er nun wissen.
„Na, ganz einfach: Uns gibt es auch in vielen Farben und manche von uns können vielleicht nicht gut laufen, oder sehen oder sprechen. Aber worauf es wirklich ankommt ist das, was unter der Hülle steckt, egal welche Farbe sie hat und ob irgendetwas „angedötscht“ ist oder nicht. Was dann bleibt ist das, was uns wirklich ausmacht und wenn Du so willst sind wir doch alle gleich: Nämlich Menschen.“
Als wir endlich an der Kasse bezahlt hatten und auf dem Weg nach Draußen waren, kam die Mutter des farbigen Mädchens auf uns zu und hielt meinem Sohn eine offene Schachtel mit Mini-Dickmanns entgegen: „Nimm Dir welche“, sagte sie zu ihm.
„Danke,“ sagte sie zu mir gewandt. „Ich habe gehört was Sie ihrem Sohn erzählt haben.“
Dann gab sie meinem Sohn und ihrem Mädchen jeweils einen weißen und einen schwarzen Mini - Dickmann aus der Schachtel. Die Kinder lachten sich beide an und aßen die Schaumküsse in stiller Eintracht genüsslich auf.
(entnommen von http://members.aon.at/alessiamay/1500027.htm )
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